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Diesel-Skandal

BGH-Urteil zu Dieselskandal: VW muss Autokäufer entschädigen

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Was genau hat das Karlsruher Höchstgericht entschieden?

VW-Kunden steht im Dieselskandal grundsätzlich Schadenersatz zu. Bisher wurde die Frage, ob VW Schadenersatz schuldet, überall unterschiedlich beantwortet. Die obersten Zivilrichter des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) stellten mit Urteil vom 25.05.2020 fest, dass der Einsatz illegaler Abgastechnik in Millionen Fahrzeugen sittenwidrig war und den Käufern dadurch ein Schaden entstanden ist.  Der BGH bestätigte damit im Wesentlichen ein Urteil, mit dem einem Kunden Schadenersatz zugesprochen worden war. Er muss sich aber die Nutzung des Wagens anrechnen lassen.

In seinem ersten Urteil zum VW-Abgasskandal stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe grundsätzlich fest, dass klagende Käufer ihr Auto zurückgeben und das Geld dafür einfordern können. Der Kläger ist, veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten, eine ungewollte vertragliche Verpflichtung eingegangen. Darin liegt sein Schaden, weil er ein Fahrzeug erhalten hat, das „für seine Zwecke nicht voll brauchbar war“. Der Schaden besteht in der Gefahr der Stilllegung des Fahrzeuges, in den mit der Nachrüstung verbundenen Aufwänden und in der enttäuschten Erwartung, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

Was vielen Autobesitzern nicht bewusst ist: Dieser Vorwurf bleibt natürlich auch nach den Softwareupdates bestehen, weil damit die Abgasreinigung nur über 12 Grad Außentemperatur funktioniert. Das ist auch nach Ansicht der Generalanwältin Eleanor Sharpston am Europäischen Gerichtshof (EuGH) illegal. Das von VW später angebotene Software-Update beseitigt aus Sicht der Richter das Problem nicht. “Der Schaden liegt im ungewollten Vertragsschluss”, sei also schon beim Kauf entstanden.

Die Entscheidung ist wegweisend für Tausende noch laufende Gerichtsverfahren.

 

Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz bestätigt

Der Kläger hatte 2014 knapp 31.500 Euro für das Auto bezahlt und wollte den vollen Preis zurück. VW wollte gar nichts zahlen. Der Autobauer hatte stets argumentiert, die Autos seien jederzeit voll nutzbar gewesen. Den Käufern sei also kein Schaden entstanden.

Die obersten Zivilrichter bestätigten mit ihrer Entscheidung ein käuferfreundliches Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz. Es hatte den VW-Konzern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB verpflichtet, dem Käufer eines gebrauchten VW Sharan gut 25.600 Euro plus Zinsen zu erstatten Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Der Mann hatte argumentiert, er habe der Werbung vertraut und geglaubt, ein sauberes Auto gekauft zu haben.

Laut BGH müssen bei der Entschädigung die gefahrenen Kilometer abgezogen werden. Die Revision des Klägers, mit der er die vollständige Erstattung des Kaufpreises ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung erreichen wollte, hatte keinen Erfolg, weil er im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden darf, als er ohne den ungewollten Vertragsschluss stünde. Im Anlassfall betrug der Kaufpreis im Jahr 2014 36.500 Euro, wovon sich der Kläger die Nutzungsentschädigung in der Höhe von rund 6.000 Euro abziehen lassen muss. Das OLG hatte eine Gesamtlaufleistung von 300 000 Kilometern angenommen. Der Kläger hatte das Auto mit 20 000 Kilometern auf dem Tacho gekauft und war nur noch gut 50 000 Kilometer gefahren.

Der Skandal um die illegale Abgastechnik in Millionen VW-Fahrzeugen war im Herbst 2015 aufgeflogen. Damals kam ans Licht, dass die Stickoxid-Emissionen des Motorentyps EA189 viel höher waren, als Tests auf dem Prüfstand zeigten. Verantwortlich war eine Software, die die volle Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand aktivierte. Gegen das Koblenzer Urteil hatten beide Seiten Revision eingelegt.

 

Hohe Hürde der vorsätzlichen sittenwidrigen Täuschung genommen

Der vorsitzende Richter hat in der Begründung ausgeführt, dass VW auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden.

Die massenhafte Software-Manipulation sei nicht nur mit einer erhöhten Umweltbelastung verbunden gewesen, heißt es in dem Urteil. Es habe außerdem die Gefahr bestanden, dass die betroffenen Autos beim Auffliegen des Skandals die Betriebsgenehmigung verlieren.

Laut dem Urteil des Höchstgerichts ist ein solches Verhalten im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, „besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren“. Ihre Arglosigkeit und ihr Vertrauen seien gezielt ausgenutzt worden, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters. Das Vorgehen verstoße gegen „die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr“.

Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt.

 

VW muss sich das Handeln leitender Angestellter zurechnen lassen – auch wenn diese nicht im Vorstand sind

Zu Recht hat das Gericht die in Rede stehende systematische unternehmerische Entscheidung der im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorständen der Beklagten zugerechnet (§ 31 BGB). Denn die Manipulation sei zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist.

 

Rechtssicherheit für Zehntausende Diesel-Fahrer

Der BGH wies mit seinem Grundsatz-Urteil die Revision des Diesel-Käufers und im Wesentlichen auch die von VW zurück. Das gibt die Linie für viele noch laufende Gerichtsverfahren vor. Bisher hatten die unteren Instanzen sehr unterschiedlich geurteilt. Nach VW-Angaben sind bundesweit noch rund 60.000 Verfahren anhängig, also nicht rechtskräftig entschieden oder per Vergleich beendet.

 

VW setzt auf Einmalzahlungen

VW kündigte an, verbleibenden Klägern Einmalzahlungen anzubieten. Man werde mit entsprechenden Vorschlägen auf die Kunden zugehen, erklärte der Konzern. Einmalzahlungen seien eine “pragmatische und einfache Lösung”. Die Höhe der Angebote hänge vom Einzelfall ab. VW bezeichnete die Karlsruher Entscheidung als “Schlusspunkt”.

Das BGH-Urteil ist für viele dieser Fälle deutschlandweit eine wichtige Weichenstellung. Trotzdem sind immer noch viele Rechtsfragen ungeklärt. Die Karlsruher Richter haben für Juli bereits die nächsten drei Verhandlungen zu anderen Diesel-Fällen angesetzt, weitere sollen folgen. Denn es gibt noch andere Konstellationen: Manche Kläger haben ihr Auto erst gekauft, als der Dieselskandal schon bekannt war. Manche haben nicht gegen VW, sondern gegen ihren Autohändler geklagt. Die einen haben das Software-Update aufspielen lassen, die anderen nicht. Wieder andere haben ihr Auto geleast und nicht gekauft. Und dann gibt es auch noch zahlreiche Klagen gegen andere Autohersteller – etwa gegen Daimler.

Viele Kläger hatten sich zuvor schon individuell mit VW verglichen. Der Konzern hatte auf diese Weise auch versucht, Verfahren zu beenden und Grundsatzurteile mit potenziell breiter Wirkung zu vermeiden. Auf den im Rahmen einer Musterfeststellungsklage ausgehandelten Vergleich, den laut VW inzwischen rund 240.000 Diesel-Besitzer akzeptiert haben, hat das Urteil keine Auswirkungen mehr.

Die Rechtsprechung des BGH dürfte sich auch auf Dieselverfahren gegen andere Autobauer auswirken, die umstrittene Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen eingesetzt hatten.

 

Das BGH-Urteil hilft auch österreichischen Betroffenen

Nun können auch Österreicher aussichtsreich am Gerichtsstand des Betrügers – bei Volkswagen handelt es sich um Braunschweig – klagen. In Österreich zu klagen ist hingegen weniger erfolgversprechend, da es bis zu einer höchstgerichtlichen Entscheidung hierzulande noch lange dauern werde.

Österreicher haben gegenüber deutschen Verbrauchern sogar einen entscheidenden Vorteil: die Verjährungsfrist. In Deutschland ist sie nicht abschließend geklärt, für Österreicher beträgt sie bei sittenwidriger Täuschung ganze 30 Jahre – auch vor deutschen Gerichten.

 

Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19

Vorinstanzen:

Landgericht Bad Kreuznach – Urteil vom 5. Oktober 2018 – 2 O 250/17

Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18

Wenn Sie mehr rund um den Diesel-Skandal wissen wollen, lesen Sie in unserem Skribe.Ratgeber | Diesel-Skandal

Anna Matschnig
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